„Efficiency first!“ – Ein Portrait über Michael Geißler

Berlin

Michael Geißler war in der Anti-Atomkraft-Bewegung aktiv und ist seit 40 Jahren Vegetarier. Als Geschäftsführer der Berliner Energieagentur geht es ihm um die praktische Umsetzung von Klimaschutz: Etwa durch Energiepartnerschaften zwischen Kommunen und Unternehmen. Öffentliche Gebäude stehen im Fokus.

Als Sohn eines Bürgermeisters in Kleinostheim im Kreis Aschaffenburg war Michael Geißler die politische Bühne nie unbekannt. Schon früh interessierte ihn, wie die Verantwortlichen dort agieren, und so entschied er sich nach der Schule für ein Politikstudium an der FU Berlin. In den 80-er Jahren kam er dabei auch mit der Umweltbewegung in Kontakt und engagierte sich früh in der Anti-Atomkraft-Bewegung. Folgerichtig war es für ihn dann auch, nach vier Semestern umzusatteln und sich bei dem zu der Zeit noch jungen Studiengang Umwelttechnik an der Berliner Beuth-Hochschule einzuschreiben.

Beruflich fasste Geißler dann zunächst bei den Berliner Elektrizitätswerken, die vor rund 20 Jahren von Vattenfall übernommen wurden, Fuß. Dort setzte er erfolgreich ein Projekt zur Rauchgasreinigung und damit zur Bekämpfung des sauren Regens um. Die Weiterqualifzierung zum Wirtschaftsingenieur mit einer Seminararbeit über Energieeinsparungen und neuen Energieformen war Basis für den Karrieresprung zur Berliner Energieagentur. Dort arbeitet er seit 1994, seit 1997 ist er Geschäftsführer. Zudem ist der dreifache Vater Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands, Mitglied des Berliner Klimaschutzrates und des Präsidiums der Industrie und Handelskammer (IHK) Berlin.

Vor zwanzig Jahren stand CO2 Reduktion nicht im Fokus

Als Geißler bei der Berliner Energieagentur anfing, beschäftigte sich diese vorrangig mit dem Schutz von Ressourcen und damit der Energieeinsparung und Energieeffizienz. Der Fokus war auf die Energieerzeugung gerichtet, die Reduktion von CO2 war damals noch kein Leitthema. Doch seitdem hat sich vieles verändert. 

Geißlers Leitmotiv lautet aber immer noch: „Efficiency first!“. Er freut sich darüber, dass das auch die EU-Kommission inzwischen erkannt hat, auch wenn entsprechende Maßnahmen seiner Meinung nach schneller umgesetzt werden müssten.

Seine zweite Richtschnur ist für ihn die Energiedienstleistung. Um diese auch für Unternehmen interessant zu machen, muss sie wirtschaftlich sein. Deshalb entwickelte die Agentur 1995/96 zusammen mit dem Land Berlin die sogenannten Energiesparpartnerschaften. Bei diesem bereits erfolgreich erprobten Modell schließen sich Energiedienstleistungsunternehmen und Kommunen zusammen und nehmen die immensen Einsparpotenziale in den öffentlichen Gebäuden unter die Lupe. Das Unternehmen investiert in die Gebäude des Auftragsgebers und anschließend werden Kostenersparnisse geteilt. Eine Win-Win Situation für Unternehmen, Kommune und das Klima.

Von Monaco bis zum Berliner Mieterstromprojekt

Mittlerweile ist im öffentlichen Bereich ein großer Markt entstanden. „Als Berater haben wir unter anderem kürzlich eine Polizeiakademie in Niedersachen in ein Energiesparpartnerschaftsverfahren gebracht, das dazu führt, dass jedes Jahr 50 Prozent CO2 garantiert eingespart werden“, erzählt Geißler. Zudem berichtet er nicht ohne Stolz über die Ausweitung des Projektes in den europäischen Großraum. Die Agentur hat sogar das Fürstentum Monaco dazu gebracht, Energiesparpartnerschaften auszuschreiben.

Die Agentur will aber auch im Kleinen agieren; bei Mieterstromprojekten geht es darum, den Strom lokal zu produzieren und damit nicht über die öffentlichen Netze zu beziehen. Vorzeigeprojekt ist hier die Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“ im Prenzlauer Berg, bei der über 500 Wohnungen mit Blockheizkraftwerken und Photovoltaik (PV)-Anlagen versorgt werden. Die Agentur baut PV-Anlagen auch auf Gründächern und möchte diese zukünftig verstärkt mit Ladesäulen für Elektroautos verbinden. „Das schafft neben der CO2 Einsparung auch ein Bewusstsein für die Energiewende.“, meint Geißler.

Seit 40 Jahren Vegetarier

Er schätzt die  Fridays for Future – als Mitglied im Berliner Klimaschutzrat meint er: „Klimaschutz ist in weiten Teilen der Jugend angekommen, so auch bei meinem jüngsten Sohn. Die Mobilisierung und die politischen Forderungen begrüße ich sehr. Nachvollziehen kann ich auch den zeitlichen Druck und die Ungeduld der Bewegung.“ Als langjähriger Praktiker wisse er aber, dass Energiewende ein durchaus langwieriges Projekt sei.

Geißler selber besitzt schon seit vielen Jahren eine solarthermische Anlage, wenn er Auto fährt, dann elektrisch. Und er versucht mehr und mehr das Fahrrad in seinen Alltag zu integrieren. Zudem ist er seit 1980 Vegetarier und reist bevorzugt mit der Bahn. Moritz Hohmann

Wer rettet das Klima? Die Politik oder der Einzelne?
Jeder Einzelne. Die Energiewende wird nur dann gelingen, wenn wir jeden und jede mitnehmen und diese dann auch machen lassen – dies gilt auch für die Unternehmenslandschaft. Wir brauchen eine Akteursvielfalt. Mit einer Delegierung alleine an die Politik wird es nicht gelingen. 

Auf welchen Flug würden Sie nie verzichten?
Den gibt es nicht. Tendenziell kann ich also auf jeden verzichten. 

Wer in der Energie- und Klimawelt hat Sie beeindruckt?
In jungen Jahren habe ich einen Vortrag von Robert Jungk, einem Publizisten und Zukunftsforscher mit großem Charisma, der sich früh gegen die Atomkraft gewendet hat, gehört. Dieser hat mich nachhaltig beeindruckt

Welche Idee gibt der Energiewende neuen Schwung?
Die konsequente, ambitionierte und flächendeckende CO2-Bepreisung.

 

Von Moritz Hohmann, veröffentlicht am 30.11.2020 im Tagesspiegel Background Energie.