Mit vereinten Kräften

Berlin

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, und Michael Geißler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur, fordern in einem gemeinsamen Gastbeitrag in der "Berliner Morgenpost" eine breite Allianz von Politik, Wirtschaft und Verwaltung, um den Klimaschutz in Berlin voranzubringen. 

Überschwemmungen, Hitzerekorde, Waldbrände: Nahezu tagtäglich erreichen uns aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt Nachrichten über die Folgen des Klimawandels.

Es ist gewiss. Der Klimawandel ist Realität und die Folgen sind sicht- und spürbar – so auch bei uns. Der neue Bericht der Weltklimarates (IPCC) hat es allen vor Augen geführt: In „West- und Mitteleuropa“ haben demnach extreme Hitze- und Starkregen-Ereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen und alle Szenarien weisen darauf hin, dass sich diese Tendenzen verstärken werden.

Die Politik reagiert auf allen administrativen Ebenen – das muss sie auch. So hat die Bundesregierung jüngst die Klimaziele erheblich nachgeschärft. Und auch in Berlin hat die Politik – quasi auf den letzten Metern der Legislaturperiode – das neue Energiewende- und Klimaschutzgesetz beschlossen.

Neben der Verschärfung der CO2-Einsparziele wurde vor allem die Energieversorgung von Gebäuden in den Blick genommen: Alle öffentlichen Gebäude sollen nur noch Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Hinzu kommt eine Solarpflicht für alle in Frage kommenden Dachflächen. Sie gilt für den Neubau öffentlicher Gebäude, aber auch für Bestandshäuser. Man mag sich sagen: So weit, so gut. Oder etwa nicht?

Berliner Wirtschaft - Treiberin für den Klimaschutz

Die Wirtschaft hat sich schon längst auf den Weg gemacht und wartet nicht auf neue Zielvorgaben der Politik. Der deutsche Umwelttechnologie-Markt umfasst bereits 856 Milliarden Euro und wächst laut Greentech-Atlas 2021 jährlich um acht Prozent. Mit einem Anteil von 15 Prozent am Bruttoinlandsprodukt sichert die Cleantech-Branche die wirtschaftliche Entwicklung durch robuste und nachhaltige Geschäftsmodelle.

Die Berliner Wirtschaft ist längst Treiberin des Klimaschutzes in der Stadt und trägt gleichzeitig zur regionalen Wertschöpfung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Unternehmen zeigen, wie es geht: Olaf Höhn lässt sein „Florida Eis“ CO2-frei herstellen und Fabian Tacke von der KlimaGut Immobilien AG hat gerade ein neues klimapositives Wohnprojekt in Lichtenberg errichtet – dies nur zwei Beispiele von vielen. Um diese Entwicklung zu stärken, in die Breite zu tragen und Geschwindigkeit beim Klimaschutz aufzunehmen, haben Unternehmen und Verbände unter Führung der IHK jetzt eine Resolution vorgelegt.

Das Hauptanliegen: Die zu erzielende CO2-Einsparung muss als Messlatte für alle Maßnahmen gelten. Der Weg hin zu mehr Klimaschutz sollte zielorientiert und ohne politische Scheuklappen gestaltet werden. So entsteht ein breiter Technologiemix, der auf die Nutzung von Solarenergie, Geothermie, Abwärme setzt und die Voraussetzungen für den zukünftigen Einsatz von Wasserstoff schafft.

Für eine klimagerechte Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft bedarf es erheblicher Investitionen in die Infrastruktur. Allein der energetische Sanierungsbedarf in Berliner Verwaltungsgebäuden, Schulen und Kitas ist auf rund 3,5 Milliarden. Euro angewachsen. Eine Herausforderung für die öffentlichen Kassen, die durch die coronabedingte Neuverschuldung Berlins mit rund sieben Milliarden Euro jüngst nicht kleiner geworden ist.

Breite Allianz von Politik, Wirtschaft und Verwaltung

Wie Klimaschutz dabei erfolgreich vorangebracht werden kann, zeigt seit Jahren das Modell der Berliner Energiesparpartnerschaften: Private Unternehmen bringen ihr Know-how und eigene finanzielle Mittel in die Zusammenarbeit ein. In die Sanierung der öffentlichen Gebäude wird investiert, deren Energieverbrauch dauerhaft reduziert und die Kosten garantiert gesenkt.

Berlin verfügt über ein Dachflächenpotenzial, das acht Mal so groß ist wie das Tempelhofer Feld. Für den notwendigen Ausbau von Solardächern können auch die Eigentürmer von bestehenden Wohnhäusern gewonnen werden. Mit den richtigen Anreizen, die die notwendige Ertüchtigung alter Elektroinstallationen in den Häusern gezielt unterstützen, werden viele von ihnen dann in Stromerzeugung auf dem Dach und die Errichtung von Ladepunkten für E-Mobile selbst investieren.

Bei der Kooperation zum Klimaschutz müssen buchstäblich Grenzen überschritten werden. Ein klimaneutrales Berlin benötigt große Mengen an Strom aus erneuerbaren Energien, mehr und mehr auch zum Betrieb von Wärmepumpen oder zur Erzeugung von Fern- und Nahwärme. Überschüssiger Windstrom aus Brandenburg könnte somit zur klimaneutralen Beheizung von vielen Berliner Gebäuden wesentlich beitragen.

Die Erreichung der Klimaziele und die Sicherung von Wachstum bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Zusammenarbeit, um dem wachsenden Mangel an qualifiziertem Personal zu begegnen. In Berlin fehlen allein im Bereich der energetischen Gebäudesanierung mit einem jährliches Marktvolumen von rund drei Milliarden Euro bereits heute mehr als 10.000 Fachkräfte.

Berliner Unternehmen engagieren sich seit jeher in betrieblicher Aus- und Fortbildung. Zu Ausbau und Weiterentwicklung dessen ist in den kommenden Jahren ein gezielter politischer Schwerpunkt zu setzen.

Wir brauchen eine breite Allianz von Politik, Wirtschaft und Verwaltung, öffentlichen wie privaten Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden, die die Herausforderungen und Chancen des Klimawandels für Berlin jetzt gemeinsam und nachhaltig angeht – zum Wohle der Menschen, der Wirtschaft und des Klimas.

Der Gastbeitrag ist am 18.09.2021 in der Berliner Morgenpost erschienen.