Holt die Sonne aufs Dach
- Gastbeitrag von Michael Geißler in der Berliner Morgenpost
- Wer bei der Stromrechnung sparen will, schaltet kurzfristig den Standby-Knopf aus – und sollte langfristig an Solaranlagen denken
Die Corona-Krise hat innerhalb kürzester Zeit viele Gewohnheiten auf den Kopf gestellt. Alte Gewissheiten sind obsolet, Neues bricht sich Bahn. So wurden viele Millionen Büroangestellte ins Homeoffice und Kinder ins Homeschooling geschickt. Seither rauschen die Laptops auf den heimischen Küchentischen und in den Wohnzimmern. Online-Konferenzdienste boomen und lassen die privaten Wlan-Verbindungen glühen. Wir erleben gerade live die Digitalisierung des eigenen Zuhauses.
Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen. Während der Stromverbrauch der Industrie aufgrund der niedrigen Produktion gesunken ist, ist zu erwarten, dass die Stromverbräuche in den privaten Haushalten allein wegen der Benutzung von Elektrogeräten momentan zunehmen. So schätzt die Verbraucherzentrale Bremen, dass der Verbrauch pro Homeoffice-Tag im Schnitt um drei Kilowattstunden steigt. Dies könnte auch dazu führen, dass die privaten Stromrechnungen noch weiter steigen und die Haushaltskassen weiter belastet werden. Private Verbraucher sollten die Kosten dabei nicht unterschätzen. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Strompreis für Haushalte mehr als verdoppelt.
Mein Appell lautet deshalb an erster Stelle: „Computer aus!“, wenn die Arbeit getan ist. Gleiches gilt für all die anderen zahlreichen Stromfresser vor allem aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik – angefangen vom Router, über Set-Top-Boxen, Spielekonsolen und „intelligente“ Lautsprecher. Sie alle verbrauchen Strom. Übrigens: Ein Gerät im Stand-by-Modus ist nicht ausgeschaltet und verbraucht weiterhin Strom. In einem Haushalt machen Kosten durch Stand-by auch mal zehn bis 20 Prozent der Gesamtstromrechnung aus, und es können über 100 Euro gespart werden.
Strom kann auch vom eigenen Dach kommen
Und wenn es doch zu einem höheren Stromverbrauch in privaten Haushalten kommt – vor allem auch langfristig? Eine kostengünstige Lösung für mehr Unabhängigkeit könnte sein, den eigenen Strom zu erzeugen, vor allem mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach. Wer Strom aus der dacheigenen PV-Anlage bezieht, sichert sich seinen Strompreis über die kommenden 20 Jahre – und auch die Module sind nach wie vor historisch günstig.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Förderprogramme sowohl vom Land als auch vom Bund. In diesem Zusammenhang war es mehr als überfällig, dass die Bundesregierung nun die Beschränkung des Photovoltaik-Ausbaus im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aufgehoben hat. Denn allein in Berlin schlummern riesige Potenziale.
Laut einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft summiert sich das Solarpotenzial in der Hauptstadt allein von Einfamilienhäusern auf eine potenzielle Leistung von knapp 800 Megawatt und stellt damit ein Vielfaches der in Berlin bisher installierten PV-Leistung dar. 800 Megawatt – das ist die Leistung eines modernen konventionellen Kraftwerks. Hinzu kommen die zahlreichen Dachflächen auf Mehrfamilien- und öffentlichen Gebäuden. Insgesamt summieren sich die Dachflächen, die in Berlin für eine Photovoltaik-Nutzung zur Verfügung stehen, auf 2400 Hektar.
Auch Bewohner von Mehrfamilienhäusern müssen in der Mieterstadt Berlin nicht zu kurz kommen. Mieterstrom heißt das Modell, bei dem auch Mieter von der Energiewende profitieren können. Bei Mieterstromprojekten werden Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern oder kleine Blockheizkraftwerke in den Kellern von großen Mehrparteienhäusern installiert. Die Mieter sind damit in die Lage versetzt, „ihren“ selbst erzeugten Strom auch selbst zu verbrauchen – und das sogar emissionsarm und zu günstigen Preisen. Voraussetzung ist hier allerdings, der Gesetzgeber steuert auf Bundesebene beim sogenannten Mieterstromgesetz nach.
Beste Voraussetzungen, um zur Solarhauptstadt zu werden Ob eine eigene Solaranlage auf dem Dach oder Mieterstrom: Gerade Berlin hat für den Ausbau dezentraler Photovoltaik-Projekte beste Voraussetzungen, um zur Solarhauptstadt zu werden. Und selbst bei der Sonneneinstrahlung muss sich Berlin im Vergleich zu anderen Standorten in Deutschland nicht verstecken. Gerade auch für die sonnenreichen Sommer der vergangenen Jahre zeigt die Praxis deutlich, dass der solare Ertrag vom Dach sogar noch um ein Viertel höher sein kann als ursprünglich geplant.
Der vom Senat verabschiedete „Masterplan Solarcity“ geht davon aus, dass 25 Prozent der Stromerzeugung mit Solarenergie von den Dächern Berlins geerntet werden kann. Mit dem Masterplan hat Berlin bereits einen wichtigen Schritt unternommen. Der Plan sollte jetzt konkret in einem möglichst breiten Bündnis von Gebäudebesitzern, Dienstleistern und dem Handwerk gemeinsam mit der Politik umgesetzt werden, damit die Solarhauptstadt Berlin Wirklichkeit werden kann.
Berliner Hausbesitzer, Unternehmen und Mieter können bei allen Herausforderungen dieser Tage gerade auch an die Energiekosten denken. Jetzt und in den kommenden Monaten in Effizienztechnologien und Erneuerbare Energien zu investieren und die Förderprogramme von Bund und Land zu nutzen, senkt langfristig die eigenen Kosten. Gleichzeitig stellt es ein Konjunkturprogramm für die Berliner Wirtschaft dar und nützt langfristig dem Klima. Konjunkturbelebung und Klimaschutz müssen nach der Corona-Krise zusammen gedacht werden.
Der Gastbeitrag ist am 26.05.2020 in der Berliner Morgenpost erschienen.